Wohnungsgemeinnützigkeit

Von bis 1851 bis 1989 gab es in Deutschland eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft, die über einen langen Zeitraum preiswerten Wohnraum für eine breite Schicht der Bevölkerung schuf und erhielt. Mit dem Wegfall dieser Wohnungsgemeinnützigkeit gehören immer mehr Wohnungsunternehmen großen Finanzinvestoren oder sind börsennotiert, und infolgedessen haben wir heutzutage einen mehr rendite- statt sozialorientierten Wohnungsbau.

Entwicklung der Wohnungsgemeinnützigkeit

Das erste gemmeinnützige Wohnungsunternehmen "Berliner gemeinnützige Baugesellschaft" wurde 1847 gegründet, und 1851 von der preußischen Regierung steuerbefreit. Danach entstanden immer mehr Baugesellschaften und -genossenschaften, und Ende des 19. Jahrhunderts gab es 384 gemeinnützige Wohnungsunternehmen in Deutschland, darunter 289 Genossenschaften [1].

Die Steuerbefreiung für die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde im Laufe der Zeit in verschiedenen Reichs- und Landesgesetzen, Verordnungen und Erlassen geregelt, wobei unterschiedliche Begriffsdefinitionen zu Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten in den ersten Jahren der Weimarer Republik führten. 1930 wurde deswegen mit der "Gemeinnützigkeitsverordnung" (GemVO) eine erste einheitliche Rechtsgrundlage geschaffen. Sie gilt heutzutage als Beginn staatlicher Eingriffe in den Wohnungsmarkt. Sie wurde 1940 weitestgehend unverändert in das "Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen" (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, WGG) übernommen. Ergänzt wurde das WGG fünf Monate später durch eine "Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen" (WGGDV), welche im Laufe der Zeit durch Novellierungen und neue Gesetze nochmals angepasst wurde.

Regelungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts

Nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts unterliegen die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen (GWU) vor allem folgenden Bestimmungen:

  • Keine Gewinnmaximierung: beschränkte Gewinnerzielung und -ausschüttung
  • Geschäftskreisbeschränkung: Bau von nur Kleinwohnungen (bis ca. 120 m²)
  • Zweckbindung der Mittel: Vermögen und Mittel unterliegen rechtlichen Bindungen
  • Bauverpflichtung: erwirtschaftete überschüsse werden wieder in den Neubau investiert
  • Keine Verflechtungen mit dem gewinnorientierten Baugewerbe

Als Ausgleich für diese Verpflichtungen wurden den GWUs weitgehende Steuerfreiheit sowie weitere Privilegierungen gewährt. Eine Anerkennungsbehörde stufte Wohnungsunternehmen unter diesen Kriterien als gemeinnützig ein, und kontrollierte die Einhaltung dieser Grundregeln.

Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts

In den 1980er Jahren entstand zunächst eine Debatte über eine zeitgemäße Überarbeitung der WGG, wobei aber bald eine komplette Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Raum stand. Die christlich-liberale Regierung strebte Tarifsenkungen zur Entlastung der Steuerzahler mit einem gleichzeitigen Subventionsabbau an. Die wesentlichen Gründe für die Abschaffung der WGG wurden in einer Studie des Bundesfinanzministeriums zusammengetragen:

  • "Der Zweck der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wird heute auf der Grundlage anderer Gesetze erfüllt."
  • Die Wohnungsnot der Nachkriegszeit sei überwunden
  • Das WGG führe zu erheblichen Steuerverlusten
  • Die Steuerbefreiungen der GWU seien eine rechtswidrige Belastung der nichtbegünstigten Wettbewerber

Als weiterer Aufhebungsgrund - aber nicht ausdrücklich im Gutachten genannt - gilt der Skandal um das gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen "Neue Heimat", verursacht durch die Beteiligung der Vorstandsmitglieder an privaten Gesellschaften, die für die Neue Heimat Dienstleistungen erbrachten.

Durch das Steuerformgesetz 1990 wurde das Wohnungsgemeinnützigkeitgesetz aufgehoben [2]. Damit verloren alle etwa 1800 gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen ihre Steuerprivilegien, außer den sogenannten Vermietungsgenossenschaften, die ausschließlich für ihre Mitglieder wirtschaften.